Trinkwasserbrunnen, Nebelduschen, Blühstreifen – Wiener Beispiele

In den ersten Tagen meines Aufenthaltes in Wien bekam ich regelmäßig einen kleinen Wutanfall, und zwar immer dann, wenn ich wieder einmal an einem Trinkwasserbrunnen oder einer Nebeldusche in Wien vorbeigelaufen bin. Nein, diese Einrichtungen an sich sind nicht schuld daran, doch ich musste mich erinnern, dass ich so etwas in meiner Heimatstadt Jena nicht vorfinden kann, auch Jahre nach entsprechenden Stadtratsbeschlüssen. Nach genügend zeitlichem Abstand zu Jena legte sich dies vorerst, bis ich den Fehler beging, über das Netz Heimatnachrichten zu lesen. Da lobte sich der Chef einer Einrichtung, die sich ausgerechnet auch noch „Kommunalservice“ nennt, dafür, dass man sich nun während der Hitze in der Geschäftsstelle seines Betriebes während deren Öffnungszeiten Wasser abfüllen lassen kann, am besten in einer extra dafür designten „Refillflasche“, zu Not geht auch ein anderes Behältnis. (Ja, in einigen wenigen anderen Büros und Geschäften Jenas ist dies auch möglich.). Danach verkündete der Oberbürgermeister drei Jahre nach entsprechenden Stadtratsbeschlüssen stolz, dass man nun nächstes Jahr einen Hitzeaktionsplan aufstelle, der tatsächlich erst einmal 3 (drei) Trinkbrunnen und 2 (zwei) Nebelanlagen vorsehen soll. Wow!

Wien besitzt derzeit 1300 (eintausenddreihundert!) Trinkbrunnen, an denen man Tag und Nacht und auch am Wochenende Wasser abfüllen, trinken und sich über das Gesicht laufen lassen kann, jährlich kommen zukünftig bis 200 (zweihundert!) weitere Trinkbrunnen hinzu (so die Aussagen eines Mitarbeiters vom „Wiener Wasser“, der zuständigen Abteilung hier). Wäre Jena in den letzten Jahren ähnlich fleißig gewesen, müssten da, auf die Einwohnerzahlen heruntergebrochen, schon ca. 70 derartiger Wasserentnahmestellen in unseren schönen Stadt stehen und nun jährlich 12, 13 Exemplare dazu kommen.

Die Trinkbrunnen in Wien sind unterschiedlich konstruiert, sehr oft sind es umgebaute Feuerwehrhydranten, aber auch andere Ständer mit Hähnen bis hin zu eigenen Boxen dafür sind zu sehen (letztere insbesondere vor Bahnhöfen und an touristischen Brennpunkten). Das Wasser schmeckt hervorragend, seit über 100 Jahren bekommen es die Wiener über zwei Hochleitungen aus den Alpen. Die Brunnen stehen im gesamten Stadtgebiet, auch wenn ich an der Endstation des Busses in der letzten Siedlung aussteige. Mir haben besonders die veränderten Feuerwehrhydranten gefallen, die neben den drei schon immer vorhandenen Schlauchanschlüssen nun noch ein weiteren Ausfluss besitzen, rückwärtig gibt es einen Hebel zum drücken, darunter sogar gleich eine angeschweißte Schale für Hunde und andere Tiere. Einfach zu bedienen, preiswert, und vor allem – es setzt schlicht auf eine Infrastruktur auf, die vorhanden ist und für die man keine großen, neuen Investitionen planen musste. Nun weiß ich, dass viele Hydranten in Jena unterflurig sind, aber nicht alle, und die auf den Gehwegen kann man auch leicht baulich verändern.

Die Trinkbrunnen hier in Wien werden redlich genutzt, auch um – damit gleich das nächste Reizthema angesprochen wird – die zahlreichen Blühstreifen in der Stadt mit Wasser zu versorgen. Diese gibt mittlerweile an vielen Straßen, dafür werden diese sogar z.T. verschmälert, wofür die Parkplätze am Straßenrand eingespart werden. Und sie existieren oft durch ein hier scheinbar normales, unauffälliges, bürgerliches Mitmachen. Ich habe in Wien bisher keine Wagen wie in Jena gesehen, die durch die Straße fahren und die Bäume und Beete am Straßenrand gießen (nur in Parks gab es so etwas auch in dieser Stadt), hier macht es die Nachbarin oder Ladeninhaber aus dem nächsten Hydranten heraus. Und auch das benachbarte Parklett kriegt eine Schwapps ab.

Upps, noch so komische Dinger. Während in Jena zwei derartige pro forma „Pilotprojekt“-Kästen ihrer Verwahrlosung entgegensehen (und dabei heftig auf social media bekämpft werden), sind diese Parkletts in Wien in den inneren Bezirken zwischen Ringstraße und Gürtel fast flächendeckend sichtbar und breiten sich auch immer mehr in die weiteren Randbezirke aus. Oft individuell gestaltet, dienen sie nicht nur als grüne Sitzgelegenheiten, die Kneipen und auch Geschäfte bekommen die Genehmigung, solche Konstruktionen vor ihren Adressen auf der Straße aufzustellen, um ihre Gäste zu bewirten oder ihren Kunden Sitzplätze anzubieten.

Und nun noch die Nebelduschen, hier kenne ich keine Zahlen, habe diese aber überall in Wien schon gesehen. Gerade oder gebogene Rohre, die aus den Gehsteigen aufragen und zur Seite aus vielen kleinen Düsen feinste Wassertröpfchen versprühen, die der Wind dann durch die Straßen treibt. Und – natürlich – haben die Wiener auch für ihre Feuerwehrhydranten wiederum eine Lösung gefunden. Mit eine Ring an den Hydranten befestigt, ist die Dusche mit einer der Schlauchöffnungen verschraubt (die im Ernstfall schnell abgeschraubt ist), ein kleines Solarpaneel sorgt oben auf der Stange für die autarke Energieversorgung einer elektronische Steuereinheit, die je nach Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Tageszeit das Wasser für die Düsen an der Stange freigibt. Genügend Druck liegt über die Leitung zum Hydranten schon an. Tata! Einfach und unabhängig von der Umgebung, da hat jemand nachgedacht.

Doch dann setzt die Wiener Stadtverwaltung noch einen drauf. Sie stellen eine App zur Verfügung, die es dem Passanten ermöglicht, per Smartphone schnell den nächsten Trinkbrunnen oder die nächste Nebeldüse in seiner Umgebung zu finden. Und nicht nur das, auch Wasserspielplätze, Badestellen, schattige Parks… „Cooles Wien“ heißt die App, der Name passt. Hitzewarnungen u.a. sind auch integriert, zur Zeit werden die Funktionen in die allgemeine Stadt-App übertragen (über die man hier in Wien weitgehend die Kommunikation mit den Behörden abwickeln kann, aber dies wäre ein anderes Thema).

Ja, ich sehe bei den vorherigen Punkten schon wieder die Diskussionen, wie dies alles dem Handel schädigen würde und die Kunden draußen lasse. Kommt vorbei und schaut es Euch an in der Josefstadt, Neubau, Mariahilf, Neu-Fünfhaus und wie die Stadtteile alle heißen, wo die Blühstreifen und Parkletts besonders dicht stehen. Dies sind die Viertel, wo es die meisten Kneipen und Geschäfte gibt und das Leben vibriert.

Wien ist in zwei unabhängigen Untersuchungen 2023 zum wiederholten Mal als lebenswerteste Stadt der Welt ermittelt worden. Da werden die Blühinseln, Trinkbrunnen und Wassernebel im wahrsten Sinne nur ein paar Tropfen in der Statistik sein, Kultur, Arbeit, Wohnen, Internationalität sind entscheidender. Aber doch eines spiegelt sich auch darin wieder – es scheint eine Stadtregierung zu geben, die tatsächlich sich an den Lebensbedingungen ihrer Bürgerinnen und Bürger statt allein an ihrer politischen oder persönlichen Agenda interessiert zeigt, die handelt, und sei es zu deren Abkühlung im Sommer.

Dabei ist Wien kein grünes Bullerbü, Wien wird von der SPÖ, den Sozialdemokraten, regiert, gemeinsam mit den NEOs, einer Art österreichischen FDP, die jedoch scheinbar gegen den Schwenk ins Populistische einer Lindner- oder Kemmerich-FDP gefeit ist. Vielleicht sollte dies dem einen oder anderen Verantwortungsträger auch in Jena zu denken geben. Der Oberbürgermeister sollte sich ersparen, Geld für ein externes Büro auszugeben, in einem Jahr wird er dann wieder einmal lesen, wie kompliziert dies alles ist, und wenn es doch sein sollte, wie schlimm teuer – so war zumindest in den 25 Jahren meiner Stadtratstätigkeit oft die Verzögerungstaktik, wenn es um Wasser in der Stadt ging. Die verunglückten Wasserprojekte am Faulloch und Johannisplatz oder die Leiche der Wasserrinne zeugen heute noch davon. Nein, er sollte mit dem Geld stattdessen seine für dieses Thema zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, KSJ und JenaWasser einen mehrwöchigen Arbeitsbesuch in Wien ermöglichen, die Kollegen hier vom Wiener Wasser werde ihnen bestimmt gern vermitteln, wie man preiswert, effektiv und und in großer Stückzahl Trinkbrunnen und Wassernebel (und vielleicht auch Blühstreifen, Parkletts und Fahrradstraßen) bauen kann. Angesichts des Klimawandels müssen wir auch hier handeln, um die Folgen abzumildern. Umsetzen von Maßnahmen ist angesagt – dafür muss man es aber wollen. Wie hier in Wien.

Servicelinks:

Wiener Wasser: https://www.wien.gv.at/wienwasser/
Speziell für Brunnen: https://www.wien.gv.at/wienwasser/versorgung/brunnen.html

Hier noch ein paar weitere Fotos:

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