Das Museum ist das bisher einzige Museum auf der Welt, dass sich ausschließlich diesem Thema widmet. Ich finde es in der ersten Etage eines Hauses am Mariahilfer Gürtel, Einlass wird nach einem Klingeln gegeben. Gegründet 2003, wurde es 2007 an seinem jetzigen Standort eröffnet. Das Museum wird von einem gemeinnützigen Verein getragen. Entwachsen ist es der österreichischen Frauenbewegung, mittlerweile fest etabliert und mehrfach ausgezeichnet.
Das Museum hat zwei Räume, einen zum Themen der vielfältigen Verhütungspraktiken, einen speziell zum Thema Schwangerschaftsabbruch selbst. In ersteren mag die Besucherin sich über die Entwicklung und Produktion des Kondoms unterrichten, liest sie über den hartnäckigen Widerstand von Kirchen, die in Verhütungsmitteln eine Untergrabung ihrer Moralvorstellungen sahen, lernt die Handreichungen zu Knaus-Ogino u.a. Empfehlungen kennen und erfährt die Geschichte der Entwicklung der Pille. Ich sehe ein Exponat aus meiner Heimat – die DDR- Pille, die in Jena erfunden und produziert wurde.
Betritt man den nächsten Raum, lerne ich, dass die Geschichte des Schwangerschaftsabbruch über weite Teile eine Kriminalgeschichte ist. Frauen wurden für ihr Handeln kriminalisiert. Die Constitutio Criminalis Carolina begründete in deutschen Reich die Todesstrafe für den Abbruch, was in Österreich durch die Theresiana bestätigt wurde. Erst Kaiser Joseph II. ersetzte sie durch Kerkerstrafe. Man kann im Museum viele entsprechende Gerichtsakten und damit Schicksale der Frauen nachlesen.
Auch wenn im 20. Jahrhundert stellenweise Abtreibungen toleriert wurden, z.B. bei Lebensgefahr für die Schwangere, blieben Abtreibungen als solche illegal. Aber sie fanden trotzdem statt und in keiner geringerer Zahl als heute. Das Museum listet dafür z.B. die Zahlen an Kindtötungen und als Fehlgeburten deklarierte Fälle auf, letztere gerade auch bei älteren Frauen mit schon vielen Kindern, die rapide abnahmen, als Abtreibungen legal wurden.
Die Exponate, mit denen die Engelmacherinnen ihr Werk ausführten, erschrecken genauso wie die Akten. Was für ein Leid Frauen erdulden mussten, die in diese Situationen gerieten, welche Gerätschaften in sie hineingesteckt wurden, welche Schmerzen sie aushalten mussten und auch wie sie daran starben. Zeitungsberichte zeigen diese Praxis in Österreich bis in die 70er Jahre hinein, an anderen Stellen der Welt ist sie bis heute so.
Doch auch medizinische Interessantes kann ich der Ausstellung entnehmen. Ich wusste bis dato nicht, dass lange ein Schwangerschaftstest im Labor an Fröschen und Kröten erfolgte, erst in den 60er / 70er Jahren entstanden andere Labormethoden. Ebenso über die Fortschritte bei den medizinischen Methoden wie bei der Verhütung durch die Pille danach oder dem Abbruch selbst wird die Besucherin und der Besucher informiert, man kann dass Museum auch als Aufklärungsort sehen und aufsuchen. Als ich dort war, traf ich einige jungen Paare.
Die Ausstellung zeigt zweierlei – es geht zum einen um die Verfügung über die Frau, und hier ist die Gesamtschau der zwei Räume gut. Sowohl eine moralische Verwerfung der Verhütungsmittel wie dann die Verweigerung eines Abbruches zwang die Frau in die Position, nur für Kinder und Familie vorhanden zu sein. Und zum anderen – allein die Frau trägt die medizinischen Folgen, von den Nebenwirkungen der Pille bis hin zu dem Tod bei einem illegalen Abbruch.
Das Thema ist umkämpft, bis heute. Im Museum kann man den Kampf von Politikerinnen nachvollziehen, die seit dem 19. Jahrhundert für die Rechte der Frau bei Verhütung und Abbruch eintraten. Und wie Päpste, Politiker und Führer wie Hitler immer wieder Frauen auf ihre Gebärfähigkeit reduzierten. Selbst in den „fortgeschrittenen“ Ländern wie Deutschland und Österreich wird der Abbruch immer noch über das Strafgesetzbuch geregelt, das Sozialgesetzbuch zum Gesundheitswesen wäre der richtige Ort. Als ich über diesen Beitrag sitze, flattert gerade der Newsletter der Frankfurter Rundschau in mein Postfach herein. Auch dort steht, was ich aus dem Museum mitnehme: Die WHO fordert, dass Abbrüche nur dafür ausgebildetets medizinisches Personal vornimmt. SPD, Grüne und Linke fordern die Entkriminalisierung und damit die Streichung vom §218 und damit der Abtreibung aus dem Strafrecht, CDU und FDP sehen „keinen Spielraum“. Vielleicht sollten alle einmal nach Wien fahren.
Und eine Angst muss ich aussprechen, die Entwicklungen in Polen, den USA und auch mittelamerikanische Staaten zeigen, dass Rückschritte jederzeit wieder erfolgen können. Für den Kampf der Frauen auf ihre Selbstbestimmung (der auch ein Kampf der Männer sein sollte), ist eine Einrichtung wie das Museum ein wichtige Einrichtung. Denn er ist ein Ort des nüchternen Sammeln und Dokumentierens. Nirgendwo lese ich eine ideologische Phrase, es sind die Fakten, die Objekte, die für sich sprechen. Ich gehe ergriffen und solidarisch wieder weg.
Servicelink:
Hier noch ein eigener Kurztext des Museums selbst:
„Wozu dient das Bidet? Aus welchen Materialien waren die ersten Kondome? Wie funktioniert die Spirale heute und was hatte Coca Cola mit Verhütung zu tun? Und warum steht im Abbruchsraum des Museums eigentlich ein Schallwäscher? Haben Sie schon einmal von einem „Stoppelchen“ zum Harnröhrenverschluss oder gar einem Froschtest gehört?
Seit 2007 geht das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in 1150 Wien all diesen Fragen näher auf den Grund. Gegenwärtig sind in zwei Räumen insgesamt rund 320 Objekte ausgestellt, welche zu den Themen Verhütung und Schwangerschaftsabbruch viele spannende Geschichten und Hintergründe mit sich bringen.“
© obige zwei Fotos: MVS