In Penzing im Westen von Wien, mitten in einem Villengebiet, liegt eine Fata Morgana in Stein, Glas und Farbe. Die Statue einer dicken Frau breitet die Arme aus, alles mögliche Getier kriecht ihre Arme empor. Mysteriöse Figuren stehen im Garten, Gebäude,deren Zwecke nicht erkennbar sind und in der Mitte ein Haus, das mit den Säulen an die Antike gemahnt.
Zwei Wiener Künstler sind mit diesem Haus verbunden. Einer, der Erbauer, ist Otto Wagner, der Stararchitekt Wiens der späten Kaiserzeit und des beginnenden Jugendstils. Der andere lebte und arbeitete Jahrzehnte dort, Ernst Fuchs, einer wichtigsten Künstler des phantastischen Realismus‘ in Österreich der Nachkriegszeit. Zwei Künstler, die unterschiedlicher kaum sein können, deren eigentlich nicht kongruente Formensprache sich jedoch an diesem Ort vereinen.
Otto Wagner, von dessen Bauten in Wien noch später zu sprechen sein wird, entwarf und baute dieses Haus als seine Sommerresidenz. 1886 wurden die ersten Pläne präsentiert, 1888 wurde das Haus fertig gestellt, 1895 zum Wohnhaus umgebaut. Wir können davon ausgehen, dass Otto Wagner sein eigenes Haus ohne Kompromisse, ganz nach seinem eigenen Vorstellungen entworfen und errichtet hat. Der Stil wird als „freie Renaissance“ bezeichnet, Vorbilder sind römische Villen. Es ist noch nicht einmal außergewöhnlich groß, doch seine Räume, die man durchschreitet, sind aufeinander abgestimmt und eröffnen immer neue Raumeindrücke, Blicke und Lichteinfälle. Dominierend ist der große zentrale Raum, Ort von Treffen der Fin de Siècle Wien bei großen Soireen. Mahler, Zuckerkandl und Klimt sind u.a. häufige Gäste. Schon 1911 verkaufte Wagner jedoch sein Haus, sieben Jahre vor seinem Tod. Nachfolgende Besitzer waren der Eigner des Varietetheaters Apollo, in dem u.a. Mata Hari auftrat, die jüdischen Familie Trieber. 1938 beschlagnahmen die Nazis das Haus, nach 1945 sind zunächst die sowjetische, dann die fränzösische Besatzungsmacht Nutzer. Mit ihrem Abzug 1955 beginnt das Haus zu verfallen, sogar ein Abriss steht zur Rede.
Da kauft 1972 Ernst Fuchs Grundstück und Gebäude, lebt und arbeitet dort. Er ist 1930 geboren, bis zum Kauf des Hauses hat er ein reiches Künstlerleben mit Stationen nicht nur in Österreich, sondern auch Israel, Frankreich und den USA hinter sich. Er ist Begründer des phantastischen Realismus, zu der auch Künstler wie Arik Brauer und Rudolf Hausner zählen, eine der drei wichtigen Strömungen österreichischer Kunst der Nachkriegszeit wurde, neben der abstrakten Richtung ab den 50er und dem Aktionismus ab den 60er Jahren.
Seine Wurzeln liegen im Surrealismus, aber die Bildsprache wurde zunehmend manieristisch, die Themen religiös, jüdisch und christliche Mystik und andere mythische Erzählungen treten in den Vordergrund. Die Erfahrungen des Weltkrieges spielen hinein, tiefenpsychologische Traumdeutungen. Fuchs arbeit dabei genreübergreifend, neben der Malerei, Grafik und Skulpturen auch in der Architektur und Musik. Wichtige Bilder von ihm sind in der Villa ausgestellt, wie „Adam Mysticus“, „Der Tanz mit dem Tod“ oder „Der Auferstandene“. Ein Eindruck von ihnen vermittelt die Webseite des Museums (→ Link). Weitere Werke sind die Skulpturen im Park um das Haus, ein schwarzer Mensch – ein Kriegerin, eine Priesterin? – seltsame Tiere, Vögel, Reptilien, die aus Steinen erwachsen und wieder verschwinden. Besonders das Brunnenhaus, als „Nymphäum Omega“, einen Nymphenheiligtum, gestaltet, zieht die Blicke auf sich.
Ernst Fuchs verfügt 1988 die Öffnung des Hauses als Museum, sein Gesamtwerk seit 1945 hat hier sein Platz, wenn auch Retrospektiven in aller Welt gezeigt werden. Fuchs war zu diesem Zeitpunkt endgültig anerkannt und zugleich so etwas wie ein It-Boy Wiens, mit Käppi und goldenem Rollsroyce. Nach seinem Tod 2015 führen seine Kinder das Museum mit einer Stiftung weiter.
Ich streife lange durch die Räume und den Park, auf dem Bett liegt eine indische Sithara, die Bilder an der Wand lassen immer neue Assoziationen aufblitzen, die Farbfenster im Adolf-Böhm-Saal, das auch das Atelier Otto Wagners war, gemahnen an sommerliche Landschaften. Auf den Steinen im Garten huschen scheinbar Echsen, rufen Vögel in die Luft, blitzen bunte Steine aus dem Boden. Der Besuch wird zum Traum, alle Gestalten wandern in den Kopf, alle Lichtstrahlen fokussieren sich. Nur langsam verliert sich auf der Straßenbahnfahrt ins Zentrum der Bann.
Servicelink: