Wilde Maus

„Wilde Maus“ bezeichnet dreierlei: einen Titel eines österreichischen Films von und mit den Wiener Kabarettisten Josef Hader aus dem Jahr 2017, ein Fahrgeschäft im Wiener Prater und einen speziellen Typ von Achterbahn. Alle drei Bedeutungen haben miteinander zu tun, sie verdichten sich zu einem Sinnbild über die Krise der intellektuellen, mittelalten Männer.

Josef Hader spielt in den Film den gefürchteten Musikkritiker einer Wiener Zeitung im Alter von Mitte 50. Dieser, Georg mit Namen, wird von seinen Chef fristlos zwecks Einsparung entlassen. Er ist unfähig, dies seiner Frau mitzuteilen, mit der er, allerdings nur noch mechanisch, die ehelichen Übungen vollzieht, da sie, Mitte 40, sich unbedingt noch einen Kinderwunsch erfüllen will. So verbringt er nun seine Zeit tagsüber mit den Fahren auf der Liliputeisenbahn im Wiener Prater, abends will er sich an seinem Chef rächen, indem er dessen Gartenmauer beschmiert und dessen Auto zerkratzt. Auf den Fahrten mit der Liliputeisenbahn begegnet er seinen alten Schulkameraden Erich als Fahrer der viel zu kleinen Lokomotive wieder, der aber ebenfalls entlassen wird, da er sich zu Fahrten mit zu wenig Passagieren überreden lässt. Aus Schuldgefühl überlässt Georg ihm Geld, um die Achterbahn „Wilde Maus“ zu pachten und zu sanieren.

Die Wilde Maus ist ein Achterbahntyp ohne Überschlag. Der Reiz ihrer Fahrt ist, dass sie unvermutet die Richtung wechselt, der Fahrgast wird gewissermaßen aus der Bahn geworfen, er erfährt eine unerwartete Wendung, die er sinnesmäßig auch nicht sofort verarbeiten kann, da die Breite des Wagens ihm die Sicht auf die Strecke versperrt. Blind ausgeliefert, nicht vorausahnend, die Situation, die auch Georg ohnmächtig erleben muss.

Als er noch erfährt, dass sein früherer Chef (gespielt von Jörg Hartmann) seine Frau, eine Psychologin, als Couch engagiert und ihr dabei den Umstand seine Entlassung mitgeteilt hat, tickt er völlig aus. Er versucht ihn in seinen Wochenendhaus in den Bergen zu erschießen, schafft dies aber nicht, da er dann auch den Freund seines ehemaligen Chefs töten müsste, der auch anwesend ist. Auch sein anschließender Versuch eines Suizid durch Erfrieren im Schnee scheitert. Gestört und verfolgt von zwei Männern flieht er nackt über einen verschneiten Hang zu seinem Auto und fährt nach Wien zurück. Dort kommt es in seinem Wagen mit seiner Frau, die ihm Kleidung bringt, zu einem ersten richtigen Gespräch.

Hader gelingt ein schönes Kammerspiel über einen Mann seines Alters am Abgrund, dem alle Legitimation entzogen ist und dem nicht einmal seine Bösartigkeit als Kritiker und anschließenden vergeblichen Rächer helfen kann. Auch „gute“ Taten gelingen nicht, seinem Freund mit der Achterbahn läuft die Freundin weg, weil Georg mit ihr italienisch reden kann, etwas, was sein Freund nicht vermag und nicht erlernen will. Ein Intellektueller am Ende. Ein Sturz. Es ist ein Film des völligen Scheiterns, das aber lustvoll und, wie man hier sagt, unter Verwendung von viel Schmäh, erzählt wird. Mit einem kleinen, warmen Ende.

Ich lächle als Mann in den Fünfzigern leicht in mich hinein, kaufe mir ein Billett und los geht die Fahrt mit der „Wilden Maus“.

Servicelinks:

wildemaus.derfilm.at

prater.at/attraktionen/wilde-maus

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