Habsburgs Krempel

Immobilienverwaltungen sind allgemein bekannt und genießen einen durchwachsenen Ruf. Jede und jeder wird seine eigene Erfahrungen mit diesen Einrichtungen gemacht haben. Warum ist aber nie die Rede von ihrem Gegenstück, den Mobilienverwaltungen? Auch ich musste erst nach Wien fahren, um einer solchen zu begegnen.
Schuld sind, wieder einmal, die Habsburger. Bei ihnen war es bis Mitte des 19. Jahrhunderts Sitte, dass nur die Hofburg als ihr ständiger Wohnsitz dauerhaft möbliert war. Ihre Sommerresidenzen einschließlich Schönbrunn, Lustschlösser und Jagdhäuser waren mehr oder weniger kahl. Zog es sie dahin, wurden mit vielen Frachtwagen Möbel, Geschirr, Teppiche, Kerzenleuchter, Wandbehänge, Klaviere u.a. unverzichtbaren Dingen vorausgeschickt und die Schlösser eingeräumt und bewohnbar gestaltet. Dieser Troß setzte sich auch in Bewegung, wenn die Kaisers auf weiteren offiziellen Reisen waren, sei es Venedig, Mailand, Frankfurt oder Florenz. Schon Maria Theresia setzte für diese Aufgabe einen ersten Hofmobilieninspektor ein, bis 1849 bestand das „Hof Mobilien Magazin“, dass alle zu Verfügung zu stehenden Gegenstände aufbewahrte, reparierte, neu beschaffte und auf Reisen schickte. Anschließend übernahm das k. k. Hofmobiliendepot als zentrales Lager für das gerade nicht in Gebrauch befindliche Mobiliar, welches 1901 an den jetzigen Standort nahe der Mariahilfer Straße zog. Wie allgemein bekannt, endete 1918 für den kaiserlichen Hof überraschend die Habsburger Ära. Leider konnten sie bei der notwendig folgenden schnellen Abreise aus Österreich nicht erneut Kolonnen mit ihren Hausrat voraus schicken und sind auch bis heute nicht nach Wien wiedergekommen, um sich etwas mitgeben zu lassen (was ihnen ja auch jahrzehntelang untersagt war). Die junge Republik Österreich sah sich somit auch dieser gigantischen Hinterlassenschaft der Monarchie gegenüber, von Plunder bis ausgewiesenen Meisterstück. Doch die bürokratische Kompetenz der österreichischen Beamten sollte nicht unterschätzt werden. Diese gründeten dafür eigens eine Behörde, sogar eine Bundesbehörde, die „Bundesmobilienverwaltung“ als nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft, die die Einrichtung unter den Namen „Bundesmobiliendepot“ weiterbetreibt und die Gegenstände hegt und pflegt. Auf ihrer Webseite liest es sich etwas trocken: “…betreut die Bundesmobilienverwaltung, im wörtlichen Sinn des Begriffs „Mobilien“, bewegliche Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände vom Nachttopf bis zur Vorhangkarniese. Aus dieser Vielfalt ergibt sich ein umfassender Einblick in die repräsentative wie private Lebenswelt des Kaiserhauses und in die Wohnkultur des Wiener Hofes. “

Dieses spezielle kulturelle Erbe umfasst 61.000 Einzelteile, darunter u.a. 20.000 Sitzmöbel, also Stühle, Sofas und Sessel, 7.000 Tische, 930 Teppiche, 4300 Bilderrahmen und 35 Betstühle. Besonders eindrucksvoll finde ich den überlieferten Bestand von 325 Spucknäpfen. Wie grausam muss das Leben in der kaiserlichen Familie gewesen sein, wenn man derart ausgiebig speien musste.

Auch der Überführungssarg des unglücklichen, kurzzeitigen Kaisers von Mexiko, Maximilian I. von Habsburg, der 1867 nach drei Jahren Regierungszeit von mexikanischen Revolutionären erschossen wurde, hat dort seinen Platz.

 

 

Der Weiterbetrieb des Depots hat sein Gutes: in mehreren Werkstätten leben alte Handwerksberufe fort, der Bundespräsident kann bei Staatsakten auf goldene Sessel zurückgreifen und vor allem, das ganze Depot kann im Wiener Möbelmuseum besichtigt werden und macht diese Einrichtung zum weltweit größten Möbelmuseum seiner Art.
Leider dient das Depot auch als Requisitenspender für historische Filme, leider deswegen, weil ich an dieser Stelle das Motto meines Blogs unterlaufen muss. Es ist nicht nur so, dass das bekannteste Bildnis der Kaiserin Elisabeth, eben „Sisi“, das offizielle kaiserliche Gemälde, dort aufbewahrt ist, was man im Zweifelsfall übergehen könnte.


Nein, sämtliche „Sisi“-Filme wurden aus den Fundus ausgestattet, und das Museum zelebriert dieses Tatsache ausgiebig mit nachgestellten Szenerien, zu denen die entsprechenden Filmausschnitte laufen. Ich bin zerstört…


Nicht desto trotz lohnt sich der Besuch des Museums, schon allein wegen der Fülle der Sammlung und ihrer Präsentation. Die Besucherin wandert durch endlos lange Säle, an den in unabsehbarer Länge Sessel, Gipsbüsten und Leuchter aufgereiht sind. Man steht vor den Betten der Kaiserehepaare und kann seine Phantasien schweifen lassen, was wäre, wenn die Decken nicht wie heute extra glatt und fest auf den Matratzen liegen. Es gibt liebenswert nachgestaltete Wohnzimmer und Arbeitskabinette, wir gehen an den spartanischen Depotkammern vorbei, wo die Stühle scheinbar wahllos ineinander gestapelt sind und starren die Badewanne von Kaiser Franz Josef an. Und man kann die Breite der Möbelentwicklung nicht nur im Barock- und Biedermeierzeitalter nachvollziehen. Das Museum hat zusätzlich zu den Depotbeständen umfassend Möbel aus der bürgerlichen Sphäre des 19. und 20. Jahrhunderts gesammelt, so dass wir sowohl Thonetstühle, Jugendstil und Wiener Werkstätten, Art déco und Popdesign der 60er betrachten können.

Und ich werde mich vorher kundig machen, bevor ich wieder ein Museum betrete, versprochen.

Servicelinks

Bundesmobilienverwaltung:

https://www.bmaw.gv.at/Themen/KulturellesErbe/Bundesmobilienverwaltung.html

Möbelmuseum Wien:

https://www.moebelmuseumwien.at/

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