Als ich Wien vor zwei Jahren das erste Mal besuchte, übernachtete ich in einem kleinen Hotel nördlich des Westbahnhofes. Auf der ersten Runde durch die Stadt begrüßten mich somit zunächst die Gerüche des Balkans, die aus den zahlreichen Kneipen des Viertels, das sich Neufünfhaus nennt, auf die Trottoirs zogen. Im breiten Grünstreifen des Neubaugürtels übten Jugendliche Kunststücke auf Skateboard und Slackline. An großformatigen Streetartwerken vorbeilaufend gelangte ich zum Stadtteil Neubau, angefüllt mit quirligen, geschäftigen Straßen und Gassen, wie hier viele der Wege heißen. Kleinere und größere Tafeln an den Häusern verkündeten, welcher verdienter Stadtbaurat gerade dieses Gebäude dem Gemeindewohnen widmete, Feuerlöschhydranten waren zu Trinkwasserbrunnen umgewidmet, Straßenbahnen bahnten sich laut klingelnd ihren Weg. Das Geschehen war weit weg von den Bildern der Reiseführer, die im Hochglanz die bekannten Wiener Sehenswürdigkeiten zeigten. Angeschickert, leicht abgewetzt, lebendig, bewohnt, abgewohnt – solche Worte fielen mir beim Gang durch das Viertel eher ein. Ich fühlte mich am richtigen Ort. Zeit, wieder dorthin zurückzukehren und mitten in diesem Treiben sein Quartier aufzuschlagen.
Meine Bekannten, die von meiner Reise wissen, wühlen in ihren Erinnerungen. Hofoper und Schönbrunn, Franz Josef und Maria Theresia, Freud und Altenberg, Belvedere und Jugendstil, Kaffeehaus und Heurige, Museen und die Donau, Mozart bis Schönberg … Viele liebe Hinweise haben mich erreicht. Einigen werde ich nachgehen und meine eigenen Erkundungen daneben setzen.
Gerade in Wien drängt sich die Frage auf, ist die Stadt nur die Folie der eigenen Sehnsüchte und wird ein Besuch vor allem die erwarteten eigenen Klischees reproduzieren? Oder werden die vier Wochen in Wien mich überraschen, das Unvermutete mir begegnen, der Alltag anders werden als gedacht?
Wir werden sehen.
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Als Vorausblick einige Fotos von 2021: