Armer Schlucker und weite Aussicht – im Lainzer Tiergarten

Im Westen Wiens sorgte eine Mauer für die Etablierung der in der Überschrift genannten Redewendung. Das Gelände, das sie umschließt, der Lainzer Tiergarten, war schon im Mittelalter Jagdgebiet der Habsburger. In den Jahren 1782 bis 1787 ließ Joseph II. das Mauerwerk darum ziehen. Waidgerechtes Jagen war da noch unbekannt, innerhalb der Mauer hatte das Wild für die Hatz bereit zu sein. Mit dessen Bau beauftragte der Kaiser den Maurermeister Philipp Schlucker, der ein so preiswertes Angebot unterzeichnet hatte, dass die Wiener der Meinung waren, er könne damit nur verarmen. Doch er überlebte, und mit ihm seine Bezeichnung als geläufiges Wort.

Bis heute steht dieses 22 Kilometer lange Bauwerk, das nur durch sechs Tore an der Zahl durchschritten werden kann. Selbige werden bei Einbruch der Dunkelheit für die Nacht geschlossen, eine Wanderung ist nur bei Tageslicht erlaubt.

Ich fahre mit dem 57er Bus zum St. Veiter Tor. Nach wenigen hundert Metern taucht die Hermesvilla auf, ein trotz Weitläufigkeit bürgerlich anmutendes Gebäude von dem Ende des 19. Jahrhunderts, wo man sich bei bei Kaffee und Kuchen niederlassen könnte,  zumal wieder einmal ein Gewitter aufkommt. Die Gäste einer Hochzeitgesellschaft schießen schnell noch die Standardfotos, bevor auch sie flüchten. Aber Sisialarm – da Kaiser Franz Josef das Schloss seiner Gattin als Sommerfrische schenkte, verzichte ich auf einen Besuch und Besichtigung, stelle ich mich nur kurz in den Torbogen und laufe anschließend lieber noch eine halbe Stunde den Berg hinauf, um mir im sogenannten Rohrhaus österreichische Kleinigkeiten servieren zu lassen. Buchteln mit Vanillesauce, so eine freundliche Empfehlung meinerseits…

Der Blick geht Richtung Wienerwald, der hier noch eindeutig Mittelgebirge bleibt. Die Wiesen ringsherum laden zum Picknick ein, hier darf man sich nieder lassen, große Bänke stehen bereit zum sich Rumfläzen, wenn man dafür nicht das Gras bevorzugen will. Ansonsten ist strikt reglementiert, auf welche Flächen, Wälder und Wege der Wanderer seinen Fuß setzen darf. Zum Glück wachsen die Walderdbeeren gleich am Weg, auch sorgen genug Blumen am Rand für fotografische Motive. Erstaunlich wenig Fußgänger sind unterwegs, ich habe Weite und Landschaft weitgehend für mich allein. Vom Rohrhaus lohnt sich der Weg zum Wienblick. Vom Berg aus betrachtet, verliert sich die Stadt bis fast an den Horizont. Selbst der japanische Kaiser war von diesem Anblick begeistert, eine Gedenktafel, der „Tennō-Kogo-Stein“ und mehrere Wegweiser dahin vermelden pflichtschuldigst dieses für die österreichische Geschichte wohl einmalige historische Ereignis. Ein steiler Weg führt zum Tor zurück. Unterhalb des Lainzer Tiergartens gibt es einzelne Weinberge, so das auch hier Heurige zu finden sind. Zum Glück, schon das nächste Gewitter treibt mich in den Buschenschank „Zur Wildsau“, die trotz des Namens und rustikaler Einrichtung feinen Wein und gutes Essen bietet. Und ich schaue wieder dem Regen draußen zu.

Servicelinks:

www.lainzer-tiergarten.at
www.rohrhaus.com
wildsau.at

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